Meinungsbeitrag im Tagesspiegel
Kaum noch Vertrauen in die Weltklima-Konferenzen und das Abkommen von Paris: Axel Ockenfels von der Uni Köln und Guntram Wolff von der DGAP schlagen ihrem Standpunkt eine neue globale Klimaschutz-Strategie vor. Wechselseitige Verpflichtungen, zum Beispiel im Rahmen eines Klimaclubs, sollten in den Vordergrund treten, ebenso wie Investitionen und Innovationen.
Die Nachbetrachtung ist wie immer ernüchternd. Einige Verhandler bei der abgeschlossenen UN-Klimakonferenz COP27 in Scharm el Scheich werten die Einrichtung eines Fonds für Klimaschäden als „historischen Durchbruch“ – obwohl bisher kein Land Geld dafür vorgesehen hat. Das spricht Bände. Nicht anders war es in Glasgow, Paris, Kopenhagen, Kyoto und den vielen anderen Treffen der globalen Klimadiplomatie.
Oft werden ambitionierte kollektive Ziele ausgerufen, ohne dass es aber nationale Verpflichtungen gibt, die diese Ziele auch nur annähernd erreichen könnten. Das Ergebnis? Die globalen Treibhausgasemissionen steigen, trotz 27 COP-Treffen, Jahr für Jahr weiter an, so dass es auf diesem Pfad keine Chance gibt, die kollektiven Klimaziele zu erreichen. Auch dieses Jahr wird es einen neuen Rekord bei den globalen Emissionen geben. Es ist offensichtlich: Die Klimaverhandlungen lösen das Kooperationsproblem nicht.
Das zentrale Instrument der UN-Klimaverhandlungen sind freiwillige Selbstverpflichtungen bei den nationalen Emissionen. Diese Selbstverpflichtungen führen in einigen sehr reichen Ländern tatsächlich zu unilateralen Emissionsreduktionen. Ob die EU mit ihrem Green Deal oder ob die USA mit ihrem gewaltigen „Inflation Reduction Act“ ihre Emissionsreduktionsziele bis 2030 erreichen werden ist unklar. Aber für sich genommen wird dadurch der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur nichtausreichend reduziert. Benötigt werden weltweite Anstrengungen.
Freiwillige Verpflichtungen sind vorhersehbar schwach
Die Kooperationsforschung erklärt, warum freiwillige Selbstverpflichtungen nicht ausreichen. Kooperation entsteht durch gemeinsame, wechselseitige Verpflichtungen, die festlegen, was die Verhandlungspartner voneinander erwarten und wie auf Nichteinhaltung reagiert wird – nicht durch freiwillige Selbstverpflichtungen. Alle effektiven internationalen Abkommen und Verträge bezeugen dies. Beispiele sind die internationalen Handelsabkommen mit Sanktionsmöglichkeiten.
Vielversprechender sind deswegen die zaghaften Versuche in Richtung wechselseitiger Verpflichtungen, wie sie zum Beispiel von der G7 und G20, Deutschland und den USA oft außerhalb des UN-Klimaprozesses vorangetrieben werden. Ein Beispiel ist die „Just Energy Transition Partnership” (JETP) mit Südafrika und Indonesien. Die gescheiterten Versuche des britischen COP-Verhandlers Alok Sharma, Klimaziele mit dem neuen Fond für Klimaschäden zu koppeln, wären ebenfalls zielführend gewesen, weil Anreize zu Kooperation gesetzt worden wären.
Auch ein zunächst schwacher Klimaclub wäre wichtig
Was könnte die internationale Kooparation vorantreiben? Ein Klimaclub. Reiche und mächtige Länder könnten eine gemeinsame Untergrenze für eine CO2-Bepreisung anstreben und Ländern, die keine derartige Untergrenze festlegen, den Zugang zu ihren Märkten erschweren. Olaf Scholz hatte diese Idee aufgegriffen, aber es scheint derzeit keine Einigkeit bei der Frage des Mindestpreises auf CO2-Emissionen zwischen den USA und der EU möglich. Allerdings wäre es ein Fehler, zu früh aufzugeben. Schon ein geringer durchschnittlicher Mindestpreis auf CO2-Emissionen, der flexibel auf die Wirtschaftssektoren aufgeteilt werden kann und die anderen Klimaprogramme ergänzt, wäre ein großer Schritt in Richtung Kooperation.
Solange globale Kooperation nicht gelingt, sind Investitionen in Innovation die beste Chance, den Klimawandel aufzuhalten. Auch eine unilaterale deutsche, europäische oder amerikanische Klimapolitik kann einen Unterschied für die Welt machen, nämlich durch die Verbesserung und Verbilligung grüner Technologien. Die Kostenreduktion für die Erzeugung von Solar- und Windstrom war in der Tat im letzten Jahrzehnt beeindruckend und erleichtert vielerorts den Umstieg auf grüne Technologien.
In vielen Bereichen bleiben aber grüne Technologien zu teuer, um weltweit eingesetzt zu werden und fossile Technologien zu ersetzen. Hier sind Investitionen und Innovation gefordert. Die amerikanische Regierung setzt mit ihrem „Inflation Reduction Act“ jetzt massiv auf staatliche Subventionen grüner Technologien.
Europa und Deutschland sollten also die internationale Klimakooperation nicht aufgeben, und ansonsten verstärkt Klimainnovation fördern. Mit nur der Hälfte der Subventionen für die Windturbinen und Solarzellen in Deutschland könnte zum Beispiel die Anzahl der Max-Planck-Institute versechsfacht werden, oder ein Manhattan-Projekt für Klimatechnologien finanziert werden, das die Schlagkraft von Harvard, Stanford und MIT zusammengenommen nicht scheuen bräuchte. Angesichts der Dramatik des Klimawandels sollte die Politik ergebnisoffene Forschung in alle Technologien fördern, die potenziell helfen könnten, Emissionen zu reduzieren und den Klimawandel zu verlangsamen. Selbst Forschung an Technologien, die im Geoengineering genutzt würden und die in fast allen Klimaszenarien eine Rolle spielen, sind unterfinanziert.
Echte Kooperation und große Innovationssprünge sind schwierig, ungewiss und nicht schnell zu haben. Sie eignen sich daher nicht so sehr für politische Selbstdarstellung und moralisches Wohlgefühl. Aber andere Lösungen für den Klimawandel gibt es nicht. Hehre globale Ziele gepaart mit freiwilligen nationalen Reduktionszielen für die ferne Zukunft sind dagegen leicht und sofort zu haben – können aber den Klimawandel nicht eindämmen. Nach drei Jahrzehnten und dem Scheitern von 27 COPs sollten wir uns nicht mehr auf die „historischen Durchbrüche“ der UN-Klimadiplomatie verlassen, sonst wird auch ein 28. und 29. Mal das Murmeltier grüßen. Es bedarf einer neuen Ernsthaftigkeit, das globale Klimaproblem grundlegend zu lösen.
Dr. Guntram Wolff ist Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Dr. Axel Ockenfels ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Universität Köln.