Russland und China offenbaren unser Erpressungspotenzial. Erneuerbare Energien können es verringern – auch in der Bundeswehr. Denn Energiepolitik ist Sicherheitspolitik. Ein Gastbeitrag im Tagesspiegel.
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Erpressungspotenziale einer importabhängigen fossilen Energiewirtschaft deutlich gemacht. Energieversorgung ist nicht nur eine Frage von Heizkosten und Strompreisen, sondern auch eine Frage von nationaler und internationaler Sicherheit. Energiepolitik ist Sicherheitspolitik – und Sicherheitspolitik ist Energiepolitik.
Es ist wichtig, dass hieraus Lehren gezogen werden. Deutschland ist in Folge des Krieges herausgefordert, seine Energiepolitik grundlegend neu zu ordnen. Diese Neukartierung findet in einer veränderten geopolitischen und geoökonomischen Gemengelage statt.
Ein Wettbewerb zwischen Demokratie und Autoritarismus
Hierbei spielt nicht nur die Klimakrise eine zentrale Rolle – laut Nato weltweit der größte „Multiplikator von Sicherheitsrisiken“ –, die einen grundlegenden Wandel in Wirtschafts- und Energiesystemen erfordert. Die politische und wirtschaftliche Entkoppelung des Westens von Russland hat eine neue Orientierung Moskaus und anderer Länder besonders im Nahen Osten in Richtung China forciert. Das Ringen um Einflusssphären zwischen China und dem Westen ist damit in den Vordergrund gerückt – ein Wettbewerb zwischen demokratischen Regierungsformen und autoritären Systemen.
Erneuerbare Energien sind in dieser Situation der Weg nach vorn. Wir brauchen ihren möglichst schnellen Ausbau auch aus Gründen der Sicherheit. Im Vergleich zu Öl und Gas lassen sich sicherheitspolitische Risiken bei erneuerbaren Energien leichter managen: Kein Despot kann Wind und Sonne einfach abschalten.
China ist die Supermacht der alten und neuen Energiewelt
Leitstern der künftigen Energiepolitik sollte das strategische Ziel größtmöglicher Energiesouveränität sein. Dies erfordert die stete Zusammenschau ökonomischer, energiepolitischer und sicherheitspolitischer Interessen. Schon jetzt ist offensichtlich, dass Ökonomie und Sicherheit bei erneuerbaren Energien keinesfalls im Widerspruch zueinander stehen, denn mehr Versorgungssicherheit bedeutet mittelfristig auch weniger Kosten.
Eine auf Energiesouveränität ausgerichtete Politik ermöglicht es auch, die Sicherheitsrisiken zu navigieren, die sich bei erneuerbaren Energien stellen. China ist die Supermacht nicht nur der alten, sondern auch der neuen Energiewelt. Es dominiert als Ursprungsland vieler kritischer Materialien und Technologien, die wir entlang der Wertschöpfungskette erneuerbarer Energien brauchen. Deutschland kann proaktiv seine Resilienz stärken, indem es jetzt eine größtmögliche Diversifizierung, zielgerichtete Industriepolitik und kluge strategische Partnerschaften, mit EU- und G7-Ländern, aber auch mit „emerging economies“ und Drittstaaten verfolgt.
Neben dem internationalen Handlungsrahmen kann Deutschland aber auch auf nationaler sicherheitspolitischer Ebene seine Energiesouveränität steigern. Die Bundeswehr – zentraler Akteur beim Thema Sicherheit und wichtiger staatlicher Nachfrager von Energie – spielt hierbei eine Schlüsselrolle.
Die Bundeswehr muss alternative Antriebssysteme berücksichtigen
Die Bilder stehengebliebener russischer Militärkonvois in der Ukraine haben in diesem Jahr deutlich gemacht, dass Verwundbarkeiten in der Energieversorgung auch militärische Verwundbarkeiten sind. Streitkräfte greifen auf zivile Energieversorgungsstrukturen zurück, die sich derzeit im Zuge der Klimaziele unumkehrbar wandeln. Wie soll die Bundeswehr in der Zukunft ihren verteidigungspolitischen Auftrag erfüllen, wenn fossile Brennstoffe in Wirtschaft und Zivilgesellschaft zunehmend verlorene Investitionen, „stranded assets“, werden?
Die Bundeswehr sollte also aktiv an der Gestaltung der Energiewende teilnehmen. Mit Blick auf die langen Beschaffungs- und Nutzungszeiträume militärischer Systeme sollte sie alternative Antriebssysteme frühzeitig berücksichtigen, um zukünftige operative Nachteile zu vermeiden.
Deutschlands Energiesouveränität erfordert jetzt eine sicherheitspolitische Gestaltung, um alte Fehler zu vermeiden und neue Chancen wahrzunehmen.