Wer ernsthaft die Bankenunion will, kommt um die EU-weite Sicherung der Sparguthaben nicht herum. Es braucht Obergrenzen, wie viele Staatsanleihen Banken halten sollen.
This article was originally published in Die Zeit, translations are published in other European newspapers.
Die Europäische Kommission hat am Dienstag ihren Vorschlag für eine europäische Einlagensicherung unterbreiten. Sie erhofft sich davon, das europäische Bankensystem zu stabilisieren, die Finanzierungskosten von Banken letztlich von der Solvenz von Staaten unabhängig zu machen. So will sie das ursprüngliche Ziel der Bankenunion erreichen, nämlich die Verbindung zwischen Staaten und ihrem Bankensystem zu durchbrechen.
Die Kosten für Bankenrettungen und Einlagensicherung sollen eben nicht mehr ausschließlich bei einzelnen Ländern, sondern bei der Gemeinschaft der Länder liegen. Ein solcher Vorschlag ist ein sehr weitreichender Schritt, der nur dann gelingen kann, wenn alle Details und die gesamte Struktur wohlüberlegt sind. Er ist aber letztlich notwendig, um zu einer konsistenten und erfolgreichen Bankenunion zu kommen.
Es gibt verschiedene Modelle, wie sich eine solche europäische Einlagensicherung gestalten lässt. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen darin, wie groß die nationale und europäische Komponente jeweils sein soll.
Gefahr von Verzerrungen
Eine Möglichkeit ist, die Einlagensicherung als rein nationale Angelegenheit zu belassen – so, wie es aktuell der Fall ist. Die Glaubwürdigkeit der Sicherung hängt dann von der Größe des Fonds ab, der Verfasstheit des nationalen Bankensektors und der Situation der Staatsfinanzen, da Einlagensicherungen in der Regel letztlich vom Staat garantiert werden. Die Finanzkrise hat gezeigt, dass gerade Letzteres problematisch sein kann, wenn Staaten nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen. So entstehen starke Verzerrungen im Bankensystem. Das wiederum belastet die Europäische Zentralbank bis an die Grenzen ihres Mandats.
Dem gegenüber steht eine Einlagensicherung vollständig auf europäischer Ebene. Dies bedeutet bestmögliche Risikostreuung. Die Qualität der Einlagensicherungen wäre demnach länderunabhängig. Das Problem besteht in den Anreizen: Eine solche gemeinsame Haftung könnte die Politik verleiten, Kosten anderswo abzuladen. Staaten mit weniger strengen Regeln haben etwa nur geringere Anreize, Rahmenbedingungen im Finanzsystem zu verbessern. Das gilt etwa für die Beleihungsquoten von Hypothekenkrediten oder wie Banken Kredite in Fremdwährungen behandeln müssen. Regierungen beeinflussen hier die Risikobilanzen von Banken. Noch relevanter ist, wie Banken Staatsanleihen in ihren Büchern bewerten müssen – hier besteht klar Handlungsbedarf.
Ein Kompromiss zwischen den Extremen ist ein Modell, das als europäische Einlagenrückversicherung eine gewisse nationale Komponente beibehält. In diesem Fall würde man nationale Einlagensicherungen beibehalten und einen europäischen Fonds nur dann nutzen, falls der nationale nicht ausreicht. Die nationalen Sicherungssysteme könnten einen Teils der Beiträge, die sie von Banken einsammeln, an den europäischen Fonds abführen. Diese Beiträge ließen sich auch länderspezifisch festlegen, um nationale Risiken besser zu berücksichtigen.
Risiko politischer Einfluss
Ein solches System würde zwar das sogenannte moral-hazard-Risiko reduzieren. Aber die Verbindung zwischen nationalen fiskalischen und wirtschaftlichen Risiken und dem Bankensektor würde nur begrenzt werden, nicht aber beendet. Langfristig kann dies also nicht als eine zufriedenstellende Vervollständigung der Bankenunion gesehen werden.
Eines der Hauptprobleme der aktuellen Situation – aber auch der oben skizzierten Zwischenlösung – besteht darin, dass einer gemeinsamen und einheitlichen Bankenaufsicht starke nationale Verantwortungen gegenüberstehen. Weil nationale Unterschiede bestehen bleiben, würden Regierungen gerechtfertigter Weise auch bei der Bankenaufsicht mitmischen wollen. Umgekehrt könnten nationale Regierungen aber auch zu Recht zurückweisen, für Probleme, die von der gemeinsamen Aufsicht nicht rechtzeitig entdeckt wurden, zu haften.
Eine konsistente Lösung wäre es, eine europäische Einlagensicherungs- und Abwicklungsbehörde zu schaffen. Ähnlich wie die amerikanische FDIC wäre sie komplett für die Einlagensicherung verantwortlich. Sie könnte auf eine Rückversicherung beim europäischen Steuerzahler zurückgreifen, wenn harte bail-in-Regeln nicht ausreichen, um Verluste auf private Gläubiger abzuwälzen. Allerdings kann ein solches System nur glaubwürdig umgesetzt werden, wenn Banken grundsätzlich “europäisch” werden und insbesondere weniger nationale Staatsanleihen in ihren Büchern halten.
Eine europäische Versicherung setzt also zwingend eine einheitliche Obergrenze für Staatsanleihen in den Bilanzen der Banken voraus. Die Verbindung zwischen Bankensektor und Staat besteht nämlich nicht nur in der impliziten und expliziten Haftung, sondern in erster Linie darin, dass Banken große Mengen von Staatsanleihen ihres jeweiligen Landes kaufen.
Obergrenze für Staatsanleihen
Wenn das in großem Umfang der Fall ist, werden Rückwirkungen zwischen Problemen im Bankensektor und im Staatshaushalt verstärkt. Daher braucht es für Banken europaweit einheitliche Regeln für die Haltung von Staatsanleihen. Diese sollten eine europäische Einlagenrückversicherung komplementieren, um Risikostreuung und Risikoreduktion zu kombinieren.
Gerade auch Deutschland würde davon profitieren, wenn Europas Bankensystem endlich stabil wäre und die Europäische Zentralbank nicht mehr indirekt haften müsste. Auch würde das deutsche und europäische Bankensystem effizienter: Kredite würden stärker nach ökonomischen statt nach politischen Kriterien vergeben werden.