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Auf die Frauen kommt es an

My op-ed in Süddeutsche Zeitung. Published in English here in various other newspapers.

 

Die G20 hat kürzlich ihre Aufmerksamkeit auf Afrika gerichtet. Die Finanzminister der G20 Länder haben eine „Compact with Africa“-Initiative gegründet, die darauf abzielt, wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die Beziehungen zu dem Kontinent zu stärken. Afrika ist für Europa besonders wegen der geographischen Nähe relevant.

Das politische Establishment der G20 und Europas haben ein erhöhtes Interesse an Afrika, weil sie fürchten, dass stetig steigende Immigration in der Öffentlichkeit unpopulär ist. Tatsächlich hat irreguläre Migration nach Europa – hauptsächlich per Seeweg – seit 2008 stark zugenommen. Aber diese irreguläre Einwanderung is nur ein Bruchteil der gesamten Migration, die relativ stabil bei 500,000 pro Jahr liegt.

Migration aus Afrika in die EU bemisst sich derzeit auf 0.1% der EU Bevölkerung pro Jahr. Aber diese Zahl wird wahrscheinlich in der Zukunft ansteigen. Es wird erwartet, dass sich Afrikas Bevölkerung bis 2050 auf 2.5 Milliarden verdoppelt. Der demographische Druck ist am stärksten in dem subsaharischen Afrika, wo die Geburtenraten mit 5 Kindern pro Frau besonders hoch ist und das Durchschnittseinkommen pro Person unter $3,500 (korrigiert für Kaufkraft) liegt. Aus diesen Gründen wird die Auswanderung nicht aufhören und Europa wird weiterhin eine attraktive Zielregion bleiben.

Die Migrationsbewegung zwischen Afrika und Europa wird als Folge von Einkommensunterschieden erklärt. Viele ziehen daraus den Schluss, dass wirtschaftliche Entwicklung der beste Weg wäre, um Migration zu reduzieren. Leider ist diese Folgerung zu einfach, da Entwicklung und Migration in komplexer Weise interagieren. Tatsächlich steigt die Auswanderung in armen Ländern oft mit wachsendem pro Kopf Einkommen. Dies ist einleuchtend, da die anfängliche Entwicklung nur das Geld und die Möglichkeiten bringt, um aus einem noch armen Land zu emigrieren. Empirische Studien haben gezeigt, dass Auswanderungflüsse erst ab einem kaufkraftbereinigtem Einkommensniveau von über $7000-9000 pro Jahr wieder abnehmen.

Nur sieben von 47 subsaharischen Ländern sind derzeit über dem $9000 BIP-pro-Kopf Niveau und 39 haben ein BIP von weniger als $7000 pro Kopf. Sogar mit einem jährlichen pro-Kopf-Wachstum von 2% wären in 2030 noch 35 Länder unter dieser Schwelle. Gleichzeitig würde die Bevölkerung dieser Länder 1.05 Milliarden erreichen. Nicht jeder, der auswandern kann, tut dies, aber die Anzahl potentieller Emigranten ist hoch.

Diese Zahlen können ernüchternd sein, aber drei zentrale Schlüsse lassen sich ziehen.

In erster Linie ist wirtschaftliche Entwicklung im subsaharischen Afrika ein Kernziel im Kampf gegen Armut. Die G20 betonen zurecht, dass es private Investitionen braucht und Entwicklungshilfe alleine weder zweckmäßig noch ausreichend ist, um die Herausforderung der Finanzierung zu lösen.

Eine zentrale Voraussetzung für private Investitionen ist jedoch politische Stabilität und gut funktionierende Institutionen, ohne die private Investoren ausbleiben und das Potential des Kontinents vergeben sein wird. Multilaterale Institutionen wie die Weltbank und die Europäische Investitionsbank können Good Governance befördern, aber endverantwortlich ist die regierende Klasse der betroffenen Länder. So kann die EIB letzlich wenig erreichen, wenn ein offener militärischer Konflikt wie z.B. in Nord-Mali die politische Lage destabilisiert.

Ungeachtet dieser letzlich nationaler Verantwortung hat Europa aber ein wirtschaftliches Interesse an Entwicklung. Ein wachsender Kontinent mit einer Bevölkerung von zwei Milliarden Menschen wäre ein wichtiger naher Markt für europäische Produzenten. Es ist deshalb sinnvoll, wirtschaftliche Zusammenarbeit voranzutreiben, sich dem Handel zu öffnen und technische Zusammenarbeit fortzusetzen. Entwicklung hängt aber letzlich von nationalen Institutionen ab.

Zweitens ist Entwicklung kein Allheilmittel für Migrationsprobleme. In Wirklichkeit dauert es mehrere Dekaden bis die Länder das Einkommensniveau erreicht haben, bei dem Emigrationsflüsse anfangen, abzuebben. Die Folge sind und werden große soziale Spannungen und Herausforderungen in ganz Europa sein. Das bedeutet, dass Europa eine koheränte Strategie für mindestens die nächsten zwei Jahrzehnte benötigt, um mit dem Immigrationsdruck aus Afrika umzugehen.

Der Verweis aus der Politik, dass Entwicklungszusammenarbeit die beste Strategie ist, greift also zu kurz. Anstatt dessen brauchen wir eine weitreichenden Debatte über den richtigen Policymix. Dabei geht es um legale und direkte Immigrationsrouten nach Europa, um das Geschäftsmodell der Schlepper zu untergraben. Es geht um sozioökonomische Integration der Immigranten und natürlich geht es auch um starke Grenzkontrollen und Abkommen mit Grenzländern, illegale Migration zu beschränken. Diese Themen sind schon in Deutschland umstritten und Konsens auf europäischem Niveau wird zweifelsfrei schwierig. Nichtsdestotrotz müssen Entscheidungen auf EU Ebene koordiniert werden, um eine möglichst große Effektivität zu enfalten. So hat die EU eine größere Verhandlungsmacht als jedes einzelne Mitgliedsland, wenn es beispielsweise um die Frage von Rückführung illegaler Migranten nach Algerien geht.

Und drittens müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf Frauen richten. Ich war überrascht, dass die „Compact with Afrika“-Initiative das Empowerment von Frauen in Afrika nicht erwähnt. Dabei gibt es stichhaltige Evidenz, dass bessere Ausbildung und Frauenrechte die Geburtenrate reduzieren und dadurch den demographischen Druck mindern. Außderdem ist nachgewiesen, dass das Empowerment von Frauen förderlich für eine gerechtere Einkommensverteilung in einer wachsenden Wirtschaft ist. Die G20 Finanzminister sollten Frauenrechte und Ausbildung von Frauen zu zentralen Grundsätzen ihrer entwicklungspolitischen Policy für Afrika machen. Konkret heisst das, dass man in Hilfsprogrammen klare Forderungen und Bedingungen stellen sollte. Nur wenn z.B. bestimmte Ausbildungsquoten für Frauen erreicht werden und wirtschaftliche Veränderungen ermöglicht werden, sollte es Unterstützung geben. Frauenrechte sind ein zentraler Bestandteil wirtschaftlicher Entwicklung. Auch hier wird der Wandel eher langsam sein aber ein Plan für Afrika ohne eine Stärkung der Frauenrechte wäre ein Versäumnis.